Die Zeitschrift für Sprachunterricht und Sprachenlernen

Editorial

Babylonia: eine packende Idee!

"Es wäre leicht zu sagen, worin diese Idee bestand, aber in seiner Bedeutung könnte es kein Mensch beschreiben!". So charakterisiert Robert Musil in Der Mann ohne Eigenschaften das Wesen einer packenden Idee, einer Idee, die es dem Ich ermöglicht „in unendliche Weiten zu geraten“ und umgekehrt den „unendlichen Weiten der Welten in das Ich einzutreten“.
Blicke ich auf die bald zwanzigjährige Babylonia-Idee zurück, so nehme ich wahr, wie sie uns gepackt hat, mich und die vielen Freunden und Kollegen, die dieser Idee Leben einzufliessen vermochten. Besonders erwähnt sei hierbei Christoph Flügel. Die Dynamik dieser Idee hat uns alle beflügelt uns unserer Identität schärfere Konturen verliehen: Das Ich bekam die faszinierende Sprachenwelt mit ihrer mitunter rätselhaften Vielfalt innig zu spüren und konnte zugleich zu deren Erkundung aufbrechen, in einem kontinuierlichen, von beglückenden sowie enttäuschenden Erlebnissen gekennzeichneten Prozess.
Staunen drängt sich bei mir als dominierendes Gefühl hervor. Was hat dieser Idee zum Überleben verholfen, was verhinderte ihr sang- und klangloses Verschwinden? Ich denke, es ist genau jene Bedeutung, die wir nicht beschreiben können und die wohl undurchschaubar bleibt. Auf das Staunen folgt eine gewisse Genugtuung. Ein Gefühl, das alle, die von der Idee Babylonia ergriffen worden sind und es in Zukunft sein werden, teilen.
Diese persönliche Note hat damit zu tun, dass ich Babylonia zwar weiterhin treu bleiben, aber mein Engagement in der Redaktion zurückstellen werde.
Die Gestaltung der Zukunft kann auf vielsprechenden Grundlagen in Angriff genommen werden. Babylonia hat sich nämlich ihren kleinen Platz in unserer Sprachenwelt erarbeitet und kann auf Anerkennung zählen. Anpassungen stehen an! So auch in der Redaktion, die einer Prise zusätzlicher Professionalität bedarf und sich privilegierten Partnerschaften zuwenden muss. Insbesondere soll stärker mit den neuen pädagogischen Hochschulen zusammengearbeitet werden, jene Institutionen, die für die Ausbildung unseres Hauptpublikums, die jungen, angehenden Sprachlehrkräfte, verantwortlich sind. Dank der vorzüglichen Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Zürich hat sich diese Perspektive bereits zu konkretisieren begonnen: Sonia Rezgui, die an der PHZH tätig ist, hat teilzeitlich ihre vertraglich vereinbarte Aktivität als Koordinatorin der Redaktion aufgenommen.
Sonia hat sich, wie wir alle, von der Idee Babylonia ergreifen lassen und wird, dessen bin ich sicher, mit Leidenschaft und Neugier die Sprachenwelt weiter erkunden. Mit dem Wunsch nach Erfolg begleite sie die Idee Babylonia, die ich damals 1991, in der Nullnummer so zu fassen versucht hatte: "Die Sprachen muss man kennen, gebrauchen und lieben, um die Menschen zu kennen, respektieren und lieben, die sie sprechen. Die Sprachen sind ein Tor – bab – , nicht so sehr zu Gott – ili – , sondern zu einer besseren Gesellschaft, die der Vielfalt einen privilegierten Stellenwert zuteilt."

Gianni Ghisla