Die Zeitschrift für Sprachunterricht und Sprachenlernen

Editorial

"Deshalb bestehen ergreifende grosse Ideen aus einem Leib, welcher wie der des Menschen kompakt, aber hinfällig ist, und aus einer ewigen Seele, die ihre Bedeutung ausmacht […]." Um den Verlauf unserer babylonischen Gedanken weiter zu verfolgen und Musil und seinen “Mann ohne Eigenschaften” wieder aufzunehmen, schauen wir vor uns hin und haben den unbestimmten Eindruck, eine ähnliche Szene wieder zu erleben, eine neue Abfahrt und eine neue Ankunft.
Konkret widmen wir dieses Editorial dem Rat der Stiftung Sprachen und Kulturen, der Herausgeberin unserer Zeitschrift. Der Abschied von Rolf Schärer als Präsident des Stiftungsrats ist zu würdigen mit alles anderem als einer weissen Seite. Wir können uns kaum vorstellen, dass er sich dem süssen Nichtstun hingeben wird, hat er doch bereits den ersten Abschnitt seines Ruhestands äusserst aktiv in Angriff genommen. Deshalb ziehen wir es vor, ihm eine gute Fortsetzung seiner Aktivitäten zu Gunsten der Sprachen und Kulturen im Kreis des Europarats und der Verbreitung des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens zu wünschen. Unterstreichen wir auch, dass er sich dem Stiftungsrat weiterhin als Mitglied zur Verfügung stellt. Im Namen der ganzen Redaktion von Babylonia geht ein grosses herzliches Dankeschön an Rolf Schärer. Der Abschied kündigt eine neue Führung an. Die Fackel wird von einer weit herum bekannten Persönlichkeit weitergetragen: Georges Lüdi, einer der wichtigen Akteure in der Schweizer Sprachenlandschaft und ein versierter Verfechter der Mehrsprachigkeit, dessen Ägide wir das Schweizer Gesamtsprachenkonzept von 1998 verdanken.
Der Zufall will es, dass die Wahl des Präsidenten in dem Monat stattgefunden hat, in dem das Parlament sich endlich mit dem Vorschlag für das neue Sprachengesetz zu beschäftigen begann. Die Debatte war erwartungsgemäss lebhaft und gekennzeichnet von taktischen Manövern der Gegner des Gesetzes; zu Fall bringen konnten sie es jedoch nicht. Mit 87 zu 68 Stimmen nahm der Nationalrat das Gesetz an, dessen Text eine Passage zur Förderung der Landessprache als erster Fremdsprache im Unterricht enthält. Der Ständerat wird diesen Passus wohl anpassen und den Kantonen den Entscheid über die Reihenfolge der Einführung von Fremdsprachen in der obligatorischen Schule überlassen müssen, um die Gefahr eines Referendums zu vermindern. Daher stehen die Chancen gut, dass das Sprachengesetz definitiv angenommen wird, was wiederum die Perspektiven für die Sprachenpolitik günstig erscheinen lässt. Das unermüdliche Engagement Rolf Schärers wird somit belohnt und der neue Präsident Georges Lüdi wird die attraktive Aufgabe hoch auf seine Prioritätenliste setzen und seinen Beitrag leisten für die Umsetzung des Sprachengesetzes.
Mit neuem Schwung macht sich Babylonia daran, seine Netzwerke weiter zu flechten und eine Plattform im wörtlichen und übertragenen Sinn zu bauen auf der Basis dieser Idee von der Sprache. Die digitalen Medien stehen im Brennpunkt des vorliegenden Hefts – ein Anfang ist gemacht.

Die Redaktion