Editorial
Harmonisierung ist eins der Schlüsselwörter in der aktuellen bildungspolitischen Diskussion. Neben der Harmonisierung des Unterrichts wie vorgesehen im Projekt HarmoS tendiert man nun auch zum Gleichen im Fremdsprachenunterricht auf der Sekundarstufe II und in der Ausbildung von Sprachlehrpersonen.
Was bringt dies jedoch im Bereich der Fremdsprachen? In immer mehr Bereichen wird Harmonisierung durch Standards, internationale Prüfungen und vorgeschriebenen Kompetenzniveaus angestrebt. Inge Schwerdtfeger hat vor einigen Jahren schon vor der McDonaldisierung des Fremdsprachenunterrichts gewarnt. Mit Instrumenten wie dem Referenzrahmen soll das Lernen von Sprachen vor allem Lerneffizienz, kalkulierbare Lernergebnisse und Kontrollen über den Lernprozess ermöglichen. Auch wenn diese Position etwas extrem ist, muss man feststellen, dass das Wort Beurteilen (assessment) im Titel des Referenzrahmens weit mehr berücksichtigt worden ist als die beide andere Aspekte Lernen und Lehren. Es wird für Lernende kein Kompetenzprofil entwickelt, sondern man klebt ihnen lieber ein Etikett auf, B2 für die Sekundarstufe II oder C1/C2 für die Sprachlehrpersonen der Primar- und Sekundarstufe I. Wo bleibt die vom Referenzrahmen beteuerte Vielfalt und die Möglichkeit, differenzierte Kompetenzprofile zu entwickeln? Wozu braucht man noch ein Sprachenportfolio, wenn wir uns die Unterrichtsziele für die Fremdsprachen von den Examensanforderungen von Cambridge, Goethe und CIEP diktieren lassen? War es nicht das Ziel, dass die Benutzer, die „practitioners“, die im Referenzrahmen genannten Optionen analysieren und eventuell in ihre Programme aufnehmen würden, um sie dann auf die Referenzskalen abzustimmen?
So könnte man für die Sekundarstufe II einen Lehrplan entwickeln mit differenzierten Kompetenzprofilen, denen der Allgemeinbildung der Gymnasiasten gerecht würde. Z. B. könnte man ein C1 fürs Lesen (mit stärkeren Berücksichtigung von der Entwicklung der literarischen Kompetenzen, sowie niedrigere (und realistische?) Niveaus für die anderen Kompetenzen setzen.
Auch in der Ausbildung der Sprachlehrpersonen halte ich es für wenig sinnvoll einfach festzulegen, dass das Niveau C1 oder C2 in der Zielsprache erreicht sein sollte. Brauchen Lehrpersonen auf der Sekundarstufe I für alle Kompetenzen die Niveaus wie sie anhand der Deskriptoren im Referenzrahmen spezifiziert wurden oder gibt es auch spezifische Deskriptoren z. B. für die Klassensprache (korrekt aber einfach), die viel stärker berücksichtigt werden sollten?
Statt Harmonisierung wäre eine Besinnung auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Lernenden zu bevorzugen. Oder ist es nur noch eine Frage der Zeit bis das Pendel in der Erziehungsdebatte wieder von der Outputorientierung zur Inputorientierung hin ausschlägt? (gs)