Die Zeitschrift für Sprachunterricht und Sprachenlernen

Editorial

Der Direktor des Bundesamtes für Kultur Jean-Frédéric Jauslin hat kürzlich an einer Tagung des Forum Helveticum alarmiert festgestellt, dass in unserem Lande zunehmend weniger BürgerInnen mehrsprachig seien und wir darob dem schleichenden Verlust einer der wichtigsten kulturellen und ökonomischen Ressourcen entgegensteuern. Dies entspricht nicht mehr und nicht weniger dem Misserfolg einer Politik zur Förderung der individuellen Mehrsprachigkeit, wie sie in unserem Lande in den 1970er Jahren eingeleitet, immer wieder bekräftigt und von Organisationen der zivilen Gesellschaft wie die Stiftung Sprachen und Kulturen mit zahlreichen Initiativen – darunter an vorderster Front Babylonia – unterstützt wurde. Der Wurm sitzt tief. Sicher ist, dass die Entwicklung unserer Epoche mit der durchdringenden Ökonomisierung aller Lebensbereiche und mit der Unterordnung von Existenz und Kultur unter die Gesetze des Marktes und die Prinzipien der Effizienz und Effektivität die Bemühungen um die Vielfalt der Sprachen als Ausdruck von kulturellen, nicht unmittelbar monetisierbaren Werten untergraben hat. Der stetige Hinweis auf den ökonomischen Wert sprachlicher Kompetenzen hat auch nicht viel genützt. Sicher ist ebenso, dass eine schonungslose Bilanz Not tut, auch in eigener Sache. Nächstes Jahr feiert Babylonia den 20. Geburtstag: Eine gute Gelegenheit, um rückblickend über die Bücher zu gehen und sich neu nach vorne zu orientieren. Dies umsomehr, als auch durchaus optimistisch stimmende Fakten am Horizont auftauchen. Zwei davon seien erwähnt. Der Bundesrat hat sein Versprechen eingehalten und am 4. Juni die Verordnung über die Landessprachen und die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften verabschiedet. Von diesem Instrument zur Umsetzung des neuen Sprachengesetzes können wichtige Impulse erwartet werden, u.a. bei der Förderung der Mehrsprachigkeit in der Bundesverwaltung und den mehrsprachigen Kantonen, bei der Schaffung eines Kompetenzzentrums für Mehrsprachigkeit in Freiburg sowie im Bereich des Austauschs und der Verständigung.
Die zweite erfreuliche Meldung hat uns mit der Wahl von Roger de Weck zum neuen Direktor der SRG erreicht. Radio und Fernsehen haben die Auswirkungen der zunehmenden Auslieferung des Service Public auf die Forderungen des Marktes und die Konsumlaunen des Publikums bestens aufgezeigt. Dass Roger de Weck, eine kulturell höchst profilierte Persönlichkeit, die künftigen Geschicke der SRG führen wird, ist in doppelter Hinsicht begrüssenswert: Zum einen ist kein Manager gewählt worden, zum anderen hat de Weck zur Mehrsprachigkeit und zur kulturellen Vielfalt eine vielversprechende Meinung, die er kürzlich den Lesern der „Zeit“ anvertraute: „Alle Rätoromanen sind zwei- bis dreisprachig […]. Was Rätoromanen können, müssen die übrigen Schweizer ebenfalls schaffen, nämlich bilingue werden. […] Eine in mehreren Kulturen verhaftete, global ausgerichtete Willensnation wie die Schweiz braucht Investitionen in die Mehrsprachigkeit ihrer Bürgerinnen und Bürger.“ (gg)