Die Zeitschrift für Sprachunterricht und Sprachenlernen

Editorial

In den Räumen der Pädagogischen Hochschule Graubünden herrscht die Sprachenvielfalt, zumindest während des Kongresses über das mehrsprachige Lehren und Lernen im September. In den Ateliers, in der pitschna pausa da café und bei den Plenarreferaten summt stets mehr als eine Sprache in unseren Ohren. Die Konferenz ist trotz oder gerade wegen der stupenden sprachlichen Diversität aufs Genaueste geplant und organisiert, wissen wir doch aus der Immersionsforschung, dass bei mehrsprachigen Anlässen besonders präzis und umsichtig kommuniziert werden muss, damit jeder – auch der Beobachter mit bescheidenen Romanisch-Kenntnissen – mitkommt und die Tschaina cum programm accumpagnant nicht verpasst.
Und so werden nicht nur Sprachen miteinander verbunden, sondern auch die Didaktiken von Sachfächern mit der Sprachlehrmethodik, die Erfahrungen von Lehrpersonen aus der bilingualen Kleinschule von Maloja im Oberengadin mit den Spracherwerbstheorien aus den Hochschulen, die Visionen der Forscherin mit den ersten Schritten zur Intensivierung der Austauschpädagogik („Französisch beim Bauern im Elsass“).
Jedoch, faisons le point, eine Kardinalfrage, die für den Fortschritt in der Breite entscheidend sein könnte, wird kaum angegangen: Wie können Erkenntnisse aus zwei- oder mehrsprachigen Schulprojekten in Sprachgrenz- und Mischgebieten wie der Rumantschia oder dem Aostatal so transformiert und transferiert werden, dass sie den Fremdsprachenunterricht in territorial monolingualen Landstrichen befruchten? Wo bleiben die Umsetzungsversuche im Bereich des fächerübergreifenden Lernens, inspiriert von der Immersion, aber im bescheideneren Rahmen des CLIL/EMILE-Prinzips? Was lässt sich aus aufgabenbasierten Ansätzen, wie sie beispielsweise in der modernen Sachfachdidaktik zum Zuge kommen, im Sprachenunterricht anwenden? Welche Institutionen der Lehrerbildung schicken die Studierenden in ausgedehnte Sprachbäder mit Unterrichtspraxis in der anderen Sprache?
Es besteht kein Zweifel daran, dass viele begeisterungsfähige Lehrpersonen sich für den zwei- oder mehrsprachigen Unterricht einsetzen, doch, so die skeptische Frage der Kongressorganisatoren, “è possibile che la complessità di questo approccio didattico sia troppo elevata per una parte delle e degli insegnanti?” Komplex ist die Sache bestimmt in der Gesamtschau, doch liessen sich punktuell Verbesserungen erzielen, wenn erprobte und bewährte Arrangements aus der Mehrsprachigkeitsdidaktik schon morgen in die Welt des kursorischen Fremdsprachenunterrichts eingebracht würden. Damit sind die Pädagogischen Hochschulen besonders herausgefordert, nicht nur in der Grundausbildung, sondern auch in der Weiterbildung der berufstätigen Lehrpersonen. Denn diese gilt es vordringlich von der Machbarkeit des Umschwungs zu überzeugen. (dst)