Die Zeitschrift für Sprachunterricht und Sprachenlernen

Editorial

Die Steuerung von Schule und Erziehung, wie übrigens aller gesellschaftlichen Subsysteme, wird anspruchsvoller und komplexer. Ohne zunehmend ausgeklügelte, technisch fundierte Strategien und Instrumente ist sie nicht mehr denkbar. In einem Land, das seine 26 kantonalen Schulsysteme als Merkmal föderalistischer Identität seit je eifersüchtig gegen alle zentralisierten Steuerungsversuche verteidigt hat, musste sich das Problem früher oder später aufdrängen und nach Lösungen verlangen. Nach den ersten äusserst zurückhaltenden Koordinationsversuchen aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, scheint dies nun endgültig der Fall zu sein. Das Volk hat es ja mit dem Verfassungsauftrag aus dem Jahre 2006 zur Schaffung eines „schweizerischen Bildungsraumes“ auch deutlich zu verstehen gegeben. Allerdings bleibt die helvetische Sensibilität gegenüber allen Zentralisierungsversuchen im kulturellen Selbstverständnis und im politischen Humus stark verwurzelt und gemahnt weiterhin zu umsichtigem Vorgehen, obwohl manch einer solche Vorsicht für mutlos hält. Von solcher Vorsicht ist jedenfalls der seitens der EDK in den letzten Jahren eingeschlagene Weg zur „Harmonisierung“ geprägt. Mittels Konkordat (15 Kantone sind mittlerweile beigetreten) soll u.a. die Abstimmung der Unterrichtsinhalte in Angriff genommen werden. Nach langer Vorbereitungszeit hat nun die EDK im Sommer die nationalen Bildungsstandards für die Volksschule veröffentlicht. Damit wird, in Form von operationalisierten, messbaren Grundkompetenzen, die Grundlage für die sprachregionalen Lehrpläne und für die kontrollorientierte Steuerung der Schule geschaffen. Zweifellos handelt es sich um ein bedeutendes bildungspolitisches Ereignis, das unserer Aufmerksamkeit bedarf und in dieser Nummer kurz vorgestellt und kommentiert wird (S. 103).
Eigentlich ist es ein Paradoxon erster Güte: Seit einigen Jahrzehnten hat der Fremdsprachenunterricht eine dezidierte Wende zur (mündlichen) Kommunikation hin durchgemacht und siehe da, gerade in dieser Zeit hat das didaktische Interesse für die Phonetik und die Aussprache auffallend abgenommen. Wüsste man nicht um die frühere Vorherrschaft des Schriftlichen, wäre man geneigt zu sagen, die Sprache sei in der Schule zunehmend still geworden. Hat die technisierte Didaktik das Gespür für den Klang und, nicht zuletzt, für die damit verbundene ästhetische Dimension der Sprache verloren? Dass das Bewusstsein für diesen Bereich des Sprachunterrichts und Sprachenlernens erst wieder im Entstehen begriffen ist, haben auch die verantwortlichen Redakteurinnen dieser Nummer erfahren müssen. Aber es war Grund genug, sich mit besonderem Elan „ins Zeug“ zu legen. Daraus ist eine gelungene und packende thematische Nummer geworden, die die Erwartungen nicht enttäuschen wird. Die LeserInnen werden davon schnell überzeugt sein.
GG