Die Zeitschrift für Sprachunterricht und Sprachenlernen

Editorial

Die Sommerflaute war eigentlich gar keine… Abgesehen vom dreihundertsten Geburtstag von Jean-Jacques Rousseau, dem Riesen, von dem sich weiterhin alle an Schule und Erziehung Interessierten inspirieren lassen (können) und der nicht nur in Genf, sondern weltweit gebührend gefeiert wurde, haben zahlreiche Ereignisse die Ferienmonate spannend gemacht. Davon seien zwei herausgepickt. Grosse Genugtuung, auch für jeden, dem das Erbe Rousseaus am Herzen liegt, vermochte das Ergebnis einer Volkswahl im Kanton Zürich (17.6.2012) zu stiften: Sage und schreibe 81.5% der Stimmenden haben sich für die Stärkung der öffentlichen Volksschule ausgesprochen und der Initiative einer eigenartigen Elternlobby, welche die freie Schulwahl ab der 4. Klasse gefordert hatte, eine Abfuhr erteilt, die an Deutlichkeit kaum zu überbieten ist. Die Verankerung der öffentlichen Volksschule in der Bevölkerung ist einmal mehr, wie schon in anderen Kantonen, bestätigt worden. Damit wurde ein wichtiger Beitrag zur Beruhigung der Schuldiskussion und zur Schaffung von Bedingungen geleistet, welche die Lehrkräfte wieder in Ruhe professionell arbeiten lassen können. Genau um diese professionellen Arbeitsverhältnisse geht es auch bei der Stellungnahme der Delegiertenversammlung des Dachverbandes der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH). Am 16. Juni haben sie in St. Gallen ein Positionspapier „Qualität durch Stärkung der Profession“ (www.lch.ch) verabschiedet, das all jene motivieren und unterstützen soll, welche sich immer zahlreicher gegen die Hysterie der Kontrolle in der Schule zur Wehr setzen. Es geht u.a. um eine klare Absage an die Intensivierung und Ausuferung von standardisierter Leistungsmessung und Evaluation in Form von flächendeckenden Tests sowie ideologisch fundierte, einseitige Lernzielorientierung der Didaktik. Was in den letzten Jahren vor sich geht, hat nicht mehr mit sinnvoller Rechenschaftsablegung oder mit Förderung von Qualität in der Schule zu tun, sondern schafft ein bürokratisches Kontrollsystem, das die Professionalität der Lehrkräfte in Frage stellt. Im Geiste Rousseaus und in authentisch aufklärerischer Tradition wollen wir uns diese neuen Ketten nicht anlegen lassen: Deshalb sei allen der Aufruf des LCH ans Herz gelegt.
Kritisches Verhalten ist also gefordert, auch gegenüber dem pädagogisch-didaktischen Mainstream. Da kommt die vorliegende Nummer von Babylonia gelegen. Darin geht es nämlich um die literarischen und kulturellen Inhalte im Fremdsprachenunterricht und um deren Rehabilitierung. Es wäre klug, wenn erstens die Inhalte überhaupt und zweitens gerade jene Inhalte wieder aufgewertet würden, die nicht bloss auf Förderung von funktionalen Sprachkompetenzen ausgerichtet sind, sondern ebenso zur umfassenden Bildung der jungen Generationen beitragen können. Auch im Fremdsprachenunterricht: Etwa in der Auseinandersetzung mit literarischen, landeskundlichen, interkulturell interessanten Texten und mit einem Mehr an selbstverantwortlicher Gestaltungsfreiheit der Lehrkräfte. Viel Spass bei der Lektüre. ggh