Die Zeitschrift für Sprachunterricht und Sprachenlernen

Editorial

Eine Schule in Südafrika: Über das weitläufige Gelände ziehen oft Antilopen und Schakale, im Biologieunterricht wird auch mal eine Python herumgereicht. Eines der wichtigsten Ziele ist gemäss dem Schulleiter, den Schülerinnen und Schülern „an environmental conscience“ zu vermitteln. Dies beeindruckt die Besucher, fast mehr jedoch seine eher beiläufige Bemerkung, für ihn sei die Schule noch immer „viel zu weiss“. Will heissen: An dieser Privatschule sind die Eintrittshürden für schwarze Kinder noch zu hoch. Da sind einerseits die Schulgebühren, wenn auch viele Schüler mit Stipendien unterstützt werden, anderseits Lücken beim familiären Bildungshintergrund und sprachliche Herausforderungen. Viele Kinder, die mit den lokalen Sprachen aufgewachsen sind, müssen sich nicht nur mit der Schulsprache Englisch auseinandersetzen, sondern auch mit der schulisch angemessenen Ausdrucksweise. Vor kurzem wurde entschieden, neben Afrikaans als Zweitsprache auch Xitsonga einzuführen. Damit werden jene Minderheiten in der Schülerschaft gestärkt, die in den Dörfern der Umgebung die Mehrheit verkörpern, aber auch 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid zu wenig an der Entwicklung der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft beteiligt sind.
Die Republik Südafrika anerkennt und pflegt elf offizielle Sprachen, wobei Afrikaans nicht nur von den Nachkommen der Buren gesprochen wird, sondern auch von 80% der ‚Coloured‘ und von ca. 200‘000 schwarzen Südafrikanern, die mithin die Sprache ihrer ehemaligen Unterdrücker übernommen haben. Diese wenigen Hinweise zeugen von einer hochkomplexen, historisch belasteten Sprachenlage, die sich zwangsläufig auf das Bildungssystem auswirkt und zusammen mit der mangelnden Chancengerechtigkeit zu erheblichen Problemen führt. Wenn man diese Befunde nun als Folie vor die Verwerfungen der schweizerischen Mehrsprachigkeitssituation hält, werden die helvetischen Dimensionen zurechtgerückt. Stichwörter wie „Dispensation vom Unterricht in der 2. Landessprache“, „Zukunft des Italienischen in der Restschweiz“, „Kurse in heimatlicher Sprache und Kultur für Kinder aus der Migration“ weisen allesamt auf Handlungsbedarf hin. Doch Hand aufs Herz: Sollte man uns nicht um unsere Sorgen beneiden?
Natürlich ist dafür zu plädieren, dass wir diese und andere Herausforderungen angehen, dafür genügend Finanzmittel aufwenden und in allererster Linie – als Behördenmitglieder, Lehrer und Lehrerinnenbildnerinnen, als Forschende und Unterstützende – dafür sorgen, dass unsere Energien punktgenau und effizient eingesetzt werden. Immerhin haben wir hierzulande nicht mit der in Südafrika allgegenwärtigen Korruption zu kämpfen. Es sei aber auch erlaubt die Frage zu stellen, ob wir nicht ein bisschen zu bequem geworden sind, um unsere im Vergleich kleinen Probleme anzupacken. (DS)