Die Zeitschrift für Sprachunterricht und Sprachenlernen

Editorial

Bildung gilt als das wichtigste Gut unseres Landes. Und in Sachen Bildung geht es der Schweiz gut, was auch auf unsere Wirtschaft zutrifft. So dürfen wir uns, verglichen mit dem von Krisen besonders hart getroffenen Ausland, eines bemerkenswerten Wohlstandes erfreuen. Nur, diese Diagnose ist zeitabhängig und hat relativen Wert, sodass sich die erfreuliche Lage schnell ändern oder aber zu Illusionen und Überheblichkeiten Anlass geben kann. Deshalb haben jene Recht, die für unser Land Reformen und Anpassungen verlangen, denn sonst könnten uns die epochalen Umbrüche böse Überraschungen bescheren. Dies gilt etwa für den Bereich der Sozialwerke, insbesondere aber auch für die Bildung, die eine wichtige generationsübergreifende Aufgabe darstellt. So lautet die Frage: Was müssen die Jugendlichen von heute für die Gesellschaft von morgen lernen? Mit welchen Inhalten müssen sie sich auseinandersetzen, mit welchem Wissen und mit welchen Fähigkeiten müssen sie ausgerüstet werden, um in einer sich rasant ändernden Wirklichkeit das Leben aktiv mitgestalten zu können? Natürlich wäre es zu schön, wenn man die Anforderungen der nächsten Jahrzehnte vorhersehen könnte. Und dennoch kommt man um einen Effort in diese Richtung nicht herum. Genau darum geht es bei den Lehrplanreformen, die vor dem Hintergrund des in der BV, Art. 62, verankerten Auftrags nach Schaffung eines nationalen Bildungsraumes zur Zeit schweizweit anstehen. Die Romandie hat schon vorgelegt mit dem Plan d’études romand (PER), der sich in der Einführungsphase befindet. Das Tessin arbeitet zur Zeit am neuen Piano di studio, während der Lehrplan 21, das Gemeinschaftswerk der Kantone der deutschen Schweiz, soeben in die Vernehmlassung geschickt wurde (vgl. www.lehrplan21.ch).
Wenn bei Bildungsreformen generell kritische Aufmerksamkeit vonnöten ist, gilt dies speziell für die Erneuerung von Lehrplänen, dem Steuerungsinstrument der Schule par excellence, das Bildung und Schule besonders exponiert: Etwa gegenüber den VertreterInnen von partikularen Interessen aller Couleurs, die der Schule ihre Vorstellungen und Inhalte aufbürden wollen, oder den modernen Missionaren, die die Zukunft nur mit der technologischen Brille zu sehen vermögen, aber auch den heutigen Pädagogen und ihrem selbstbezogenen Jargon. Deshalb wird Babylonia auf die fremdsprach- und kulturspezifischen Aspekte des Lehrplan 21 in einer nächsten Nummer noch kritisch zurückkommen.
Die vorliegende Ausgabe ist dem Sprachenlernen in der Arbeitswelt und in der Berufsbildung gewidmet. In den letzten wirtschaftlich besonders krisenanfälligen Jahren ist die Bedeutung des Humankapitals und damit einer guten beruflichen Ausbildung der jungen Generationen allen bewusst geworden. Und zu einer solchen Bildung gehört auch die Aneignung von sprachlich und kulturell fundierten Kompetenzen. Die damit verbundenen Fragen werden in den verschiedenen Beiträgen aus drei Perspektiven angegangen: Jene der Arbeitswelt, jene der Politik und jene der Didaktik. Wir wünschen eine anregende Lektüre. (ggh)

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