Die Zeitschrift für Sprachunterricht und Sprachenlernen

Editorial

„Zuviel“ scheint es in den letzten Monaten in der Schweiz zu geben, ein Zuviel an Neubauten und vor allem an Zuwanderung, kurz: es herrscht „Dichte-Stress“ oder, wie das deutsche Wochenmagazin konstatierte, ein „Geschwätz vom Schweizer Dichte-Stress“, das vor allem in den am wenigsten betroffen Regionen am deutlichsten ausgeprägt sei (Die Zeit, 13.2.2014). Und nun scheint auch die Schule ihren Beitrag zum „Dichte-Stress“ zu leisten: zwei Fremdsprachen in der Primarschule seien ebenfalls „zu viel“, eine Überforderung der Lernenden, die das Schlimmste befürchten lässt – dies ergibt jedenfalls eine Durchsicht der Presse im März und April dieses Jahres. Zur Begründung werden häufig „Experten“ zitiert, die dies anscheinend wissen, aber nur in seltenen Ausnahmefällen namentlich genannt werden. Wesentlich häufiger wird die Gefahr, die mit diesem „Zuviel“ an Fremdsprachenunterricht drohe, mit der eigenen Erfahrung der Verfasser – es sind nämlich in der Regel Männer, die sich hier wissend zu Wort melden – begründet. Hier wird dann unversehens der eigene Erfahrungshorizont zur Grenze des pädagogisch Möglichen und man scheint auf der Suche nach einer guten alten Vergangenheit zu sein, die vom Zuviel der Gegenwart bedroht wird. Nun soll hier aber nicht in Abrede gestellt werden, dass die von Eltern und Lehrenden geäusserten Sorgen und Bedenken auch ihre Berechtigung haben und ernst zu nehmen sind. Die in der Medienmitteilung der EDK vom 11.4.2014 angekündigte Überarbeitung des Lehrplans 21 (siehe Beitrag auf Seite 87) ist ein erstes Anzeichen dafür, dass die Bildungspolitik dies auch tut.
Mit der Stärkung des frühen Fremdsprachenunterrichts steht die Schweiz im europäischen Kontext nicht allein da, im Gegenteil, in vielen Ländern wird dieser mittlerweile gut begründbaren Innovation eine Chance gegeben.
Wir möchten mit dieser Ausgabe von Babylonia einen konstruktiven Beitrag zur aktuellen Diskussion leisten und zeigen, dass wir heute über substantielle Forschungs­ergebnisse verfügen und uns nicht auf individuelle Erfahrungsberichte von Kolumnisten verlassen müssen. Es kommen daher zahlreiche Expertinnen und Experten zum frühen Sprachenlernen zu Wort, die sich durchaus nicht in allem einig sind. Wir möchten Sie einladen, diese Texte zu entdecken und sich selbst ein Bild zu machen. (IT)