Die Zeitschrift für Sprachunterricht und Sprachenlernen

Editorial

Die ch Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit ist unter Beschuss geraten. Sie werde ihrer Aufgabe nicht gerecht, nämlich den Austausch von Schülern und Jugendlichen in der Schweiz zu fördern. Da das vom Bundesamt für Kultur 2011 definierte Ziel einer Verdoppelung der Sprachaustausche bei weitem nicht erreicht wurde, gehören die Verlängerung des Auftrags und die Erhöhung der Mittel in Frage gestellt. Der Stiftung fehle es an einer Strategie, an griffigen operativen Konzepten und klaren Organisationsstrukturen. Offensichtlich dicke Post, die die Stiftung zwingt, über die Bücher zu gehen. Dennoch, die Verantwortung für das Scheitern der Austauschpolitik einfach der Stiftung zuzuschieben wäre verkürzt und fatal. Warum? Weil die Förderung des Austausches in unserem Lande einer Herkulesaufgabe gleichkommt, die nicht von einer auch gut organisierten Institution alleine bewältigt werden kann. Weil Sprachaustausche ein kulturelles Problem sind. Austausch heisst sich öffnen, auf den Anderen zugehen und ihn wertschätzen. Nicht seit gestern erleben aber wir in der Schweiz – und andernorts – eine gegenteilige kulturelle Tendenz, nämlich Selbstschau, Einigelung, Angst vor dem Anderen.
Aber Austausch kommt auch der Suche nach einem Wissen gleich, das nicht der blossen technischen Verwertbarkeit und Nützlichkeit gehorcht, sondern durchaus einer offenen, kulturellen Bereicherung verpflichtet ist. Man kann in die welsche Schweiz gehen, um eine neu Welt und Lebensweise zu entdecken, um Freundschaften zu schliessen, usw. Aber auch diesbezüglich geht die Tendenz in eine andere Richtung. „Für Lehrlinge ist Französisch meist unnötig“, so titelte unlängst die NZZ am Sonntag und präzisierte „für 60% aller Lehrberufe genügt Deutsch“. Angespielt wird auf die Anforderungsprofile, welche die EDK und der Gewerbeverband haben erstellen lassen, um den Jugendlichen die Berufswahl zu erleichtern. Ein schlaues Bildungsbureau hat so herausgefunden, dass man in den meisten Berufen ohne Französisch auskommt. So einfach soll es sein! Die Funktionalisierung des Wissens und das reine Nützlichkeitsdenken feiern Urständ – mit Hilfe von Bildungsexperten. Warum sollen um Gottes Willen Lehrlinge ihre wertvolle Zeit mit einem Austausch verlieren?
Dass derart verkürztes Denken kulturell bedingt ist leuchtet ein. Man kann deshalb die ch Stiftung nicht alleine im Regen stehen lassen! Es braucht wohl eine Koalition der Willigen aus Kultur, Politik und Arbeitswelt, die den Mut haben, Widerstand zu leisten und neue Perspektiven aufzeigen können. Wir versuchen dies mit der vorliegenden Nummer von Babylonia zum Thema ‚Sprachen und Speisen’. Die Konvergenz von Sprache und Kultur liegt beim Essen und in der Kulinarik auf der Hand. So ist es auch kaum denkbar, dass z.B. ein Koch ohne die französische (und anderen) Sprache auskommen kann. Aber genau dies gibt das neue Anforderungsprofil der Köche EFZ vor! Das wollen wir nicht akzeptieren und wünschen deshalb eine spannende Lektüre. (ggh)