Die Zeitschrift für Sprachunterricht und Sprachenlernen

Bald ein neues Sprachen-gesetz?

1996 stimmte das Schweizervolk einem neuen Sprachenartikel zu. Nun wurde endlich der Vorentwurf zum dazu notwendigen Sprachengesetz in die Vernehmlassung geschickt. Dass es sich um eine Zangengeburt gehandelt hat, liegt auf der Hand. Dafür zeugt nicht nur die lange Wartezeit, sondern auch die knifflige Prozedur. Die Arbeit am Dossier war zwar fortgeschritten, durfte aber vom Bundesamt für Kultur nicht zu Ende geführt werden. Eine “Paritätische Arbeitsgruppe Bund und Kantone” (PAS) musste her, um, so die “offizielle Sprache” , einen genügenden Konsens zu finden und die verfassungsrechtliche Kompetenzlage zwischen Bund und Kantonen adäquat abklären zu können. Die Aufgabe war offensichtlich heikel, die Interessen im Spiel bedeutsam.

Der Entwurf zum neuen Sprachengesetz statuiert nämlich Grundsätze (vgl. die “allgemeinen Bestimmungen” im Gesetzestext), die für die staatspolitische und kulturelle Identität der Schweiz zentral sind und an sich nur Anerkennung finden können. Diese Grundsätze gehörten in den letzten Jahren (v.a. nach 1992) zur allgemeinen politischen Rethorik, die kaum konkrete Resultate hat zeitigen können. Aufgrund ihrer Natur repräsentieren sie generelle nationale Interessen und kollidieren so de facto mit den partikulären Interessen von Kantonen, Wirtschaft, politischen Lobbys, usw.. Diesen Interessen musste und muss sich der Bund beim Versuch, eine globale Politik durchzusetzen häufig beugen. Gerade im sprachpolitischen und im bildungspolitischen Bereich liegt dies für die letzten zehn Jahre auf der Hand. Das (vorläufige) Scheitern des Gesamtsprachenkonzepts (GSK) und einer entsprechenden Politik sprechen dazu Bände. Die Konfliktsituation hat sich mit der Englischfrage zugespitzt und die Ohnmacht des Bundes noch deutlicher offen gelegt.

Mit dem neuen Sprachengesetz steht die Möglichkeit für den Bund auf dem Spiel, den Verfassungsauftrag zu einer eigenen sprachpolitischen Rolle und zu einer entsprechenden Politik durchzusetzen. Es geht darum, ob die allgemeinen Interessen eines mehrsprachigen und multikulturellen Staates, der nach einer europäischen Ausrichtung sucht und für Europa in mancher Hinsicht Modellcharakter haben kann, gegenüber den partikulären Interessen (v.a. politischer und ökonomischre Natur), einigermaßen bestehen können oder ob sie schlicht und einfach den Kürzeren ziehen müssen.

Vor diesem Hintergrund scheint der vorliegende Entwurf, nicht nur sichtlich bemüht, Konfliktpotentiel zu reduzieren, was natürlich zu Lasten einer klaren Konturierung geht. In Wahrheit werden auch die Kompetenzen des Bundes auf ein absolutes Minimum eingeschränkt und wesentlich als subsidiär betrachtet. Eine wahrhaft dürftige Basis für eine effektive Sprachpolitik des Bundes!
Damit sich die Leserinnen und Leser von Babylonia ein eigenes Bild machen können, veröffentlichen wir den Text des Vorentwurfes abschnittsweise in den 4 Sprachen. Die vollständigen Texte sowie die vom Bundesamt für Kultur dazu verfassten Erläuterungen sind auf der Homepage des BAK problemlos zugänglich: www.kultur-schweiz.admin.ch

Ergänzende und kritische Informationen bieten aber weitere Beiträge. Vorerst direkt zum Sprachengesetz, nämlich ein Artikel von Luzius Mader, Vizedirektor im Bundesamt für Justiz und Mitglied der paritätischen Arbeitsgruppe, der die verfassungsrechtliche Basis des Vorentwurfs erläutert, dann ein kritischer Beitrag von François Grin, Dozent an der Universität Genf und schließlich die Stellungnahmen der EDK und der Stiftung Sprachen und Kulturen.
Zum weiteren Diskussionsrahmen gehört der Beitrag von Philippe Perrenoud, der die schulische Sprachpolitik sehr kritisch beleuchtet. Auf Perrenoud antwortet Gianni Ghisla, sodass die Voraussetzungen für die Weiterführung der Diskussion bestehen.
Dazu möchten wir unser Forum auf der Homepage von Babylonia anbieten www.babylonia.ch und werden in den nächsten Nummern Raum für die eingehenden Beiträge in der Zeitschrift reservieren.
(Red.)