Die Zeitschrift für Sprachunterricht und Sprachenlernen

Editorial

Wer die Expo02 besucht hat, hat den eigenen Erfahrungsschatz mit einem eindrücklichen ästhetischen Erlebnis bereichert. Berichte und Kritik über die Expo sind sich darüber einig: An den vier Arteplagen kam man in den Genuss von hervorragenden landschaftlichen, architektonischen und auch sozialen Bildern. Wer hingegen andere Erwartungen hatte, so etwa die Möglichkeit mit den wichtigen Themen der Zeit und unseres Landes konfrontiert zu werden und darüber gerne nachgedacht hätte, der wurde weitgehend enttäuscht und musste sich mit indirekten, eben ästhetisch vermittelten Anregungen begnügen. Dies galt insbesondere für die Frage der Mehrsprachigkeit und der Multikulturalität, die am Expo-Horizont, trotz dem Anspruch auf nationale Repräsentativität, nicht ersichtlich war. Der leichtfertige Umgang, der mit den sprachlichen Minderheiten gepflegt wurde, ist symptomatisch. Schade, denn damit wurde wohl eine Chance verpasst, um mit der Expo02 auch einen inhaltlich relevanten Diskurs zu fördern.
Dass die Frage der Sprachen uns jedoch nicht in Ruhe lassen kann und darf, erkennen wir u.a am Umstand, dass inzwischen die Vernehmlassung zum Vorentwurf zum neuen Sprachgesetz (siehe Babylonia 4/2001) zu Ende gegangen ist. Die Resultate (www.kultur-schweiz.admin.ch) deuten auf ein allgemein positives Echo, zumal mit Ausnahme der rechts aussen positionierten Parteien, die Schaffung des Gesetzes begrüsst wird. Voraussichtlich wird das Parlament ab 2003 darüber befinden und so dem Thema vermehrte öffentliche Aufmerksamkeit vermitteln. Die Stiftung Sprachen und Kulturen und Babylonia werden versuchen, möglichst gezielt und nachhaltig in die Debatte einzugreifen und u.a. die Fragen zur Notwendigkeit von ausreichenden sprachpolitischen Kompetenzen des Bundes, zur Bedeutung der “anderen” Sprachen und zur Rolle der kulturellen Organisationen einen Beitrag leisten.
Die vorliegende Nummer beschäftigt sich mit den Sprachkompetenzen im Berufsbildungssektor. Zum Thema hat das Schw. Institut für Berufsbildungspädagogik (SIBP) eine Tagung in Lausanne durchgeführt und Babylonia mit der Veröffentlichung der Beiträge beauftragt. J.-P. Bronckart diskutiert in seinem Beitrag den Kompetenzbegriff, während F. Grin den ökonomischen Wert der Fremdsprachen aus sozialer Perspektive reflektiert. Weitere Artikel befassen sich mit dem Einfluss der internationalen Zertifikate auf den Unterricht, mit dem europäischen Rahmen für Fremdsprachen, mit den Aktivitäten zur “Begegnung mit Sprachen” auf der Sekundarstufe und mit den Sprachen in der Reform der kaufmännischen Ausbildung. Gerne weisen wir auch auf den Artikel von P. Hochstrasser hin, der zwar mit dem nahenden Ende des Italienischunterrichts im Kanton Uri zu einem traurigen Kapitel der Geschichte des Umganges mit den Minderheitensprachen in unserm Lande schreibt, jedoch nicht alle Hoffnungen auf eine attraktive Präsenz des Italienischen aufgibt.

Die Redaktion