Die Zeitschrift für Sprachunterricht und Sprachenlernen

Editorial

Die vorliegende Nummer ist dem Spiel gewidmet, genauer dem didaktischen Spiel als wirksames, kreatives und anpassungsfähiges Instrument zur Bereicherung der Unterrichts- und Lernaktivitäten. Wenn Friedrich Schillers Wort stimmt, dann findet der Mensch erst im Spiel wirklich zu sich selbst. Gibt es also bessere Gelegenheiten, dem L2-Unterricht die erwünschte Authentizität zu vermitteln, als auf die Ressourcen des didaktischen Spiels zurückzugreifen? Dabei wohlwissend, dass zwar den Erwachsenen der den Kindern und Jugendlichen eigentümliche spontane Zugang zu solch “ernstem” Spiel zwar fehlt, aber nach anfänglicher, natürlicher Zurückhaltung auch ältere Semster Begeisterung am spielerischen Lernen zeigen können. Das Spiel ist mit der Kunst nah verwandt. Deshalb haben wir versucht, mit schönen und anregenden Bilder die graphische Gestaltung der Nummer aufzulockern. Aber das Spiel ist auch eine für das Verständnis von “ernsthaften” Problemen sehr nützliche Metapher. So hatte sich Johan Huizinga, seines Zeichens Autor des berühmten Homo ludens, eines der schönen Bücher aus dem letzten Jahrhundert, gefragt, ob unsere Epoche nicht das Bewusstsein für das Spiel und dessen Regeln verloren hätte. Dies geschah kurz vor dem zweiten Weltkrieg, aber wenn wir uns der Aktualität zuwenden, kommen wir nicht um die Feststellung herum, dass der mangelnde Respekt der Regeln zu einem Merkmal unserer kriselnden modernen Zivilisation geworden ist. Die dramatischen Kriegsereignisse dieser Tage zeugen dafür, aber auch im Bereich weniger bedeutungsvoller Realitäten, so z.B. in der schweizerischen Sprachenfrage, sieht es nicht besser aus. Erinnern wir uns: Der Bruch der Regeln des eidgenössischen Zusammenspiels zwecks Einführung des Frühenglisch seitens des Kantons Zürich liegt nicht weit zurück. Dieser Entscheid und damit die Priorität des Englischen gegenüber den Nationalsprachen wurde in den letzten Wochen bestätigt. Im Gegenzug hat die Suisse Romande ein einstimmiges Bekenntnis zum Vorrang einer National- bzw. einer Nachbarsprache als erste L2 in der Volksschule abgegeben, in diesem Falle das nicht sonderlich beliebte Deutsch. Die NW-EDK hat ebenfalls in die gleiche Richtung mitgezogen. Somit, und es war leicht vorauszusehen, wird das Spiel hart. Fast alle Spielen kennen Sieger und Verlierer. In diesem Falle ist es aber schwierig auszumachen, wer aus der angespannten Konfliktsituation Profit ziehen könnte. Man hat eher den Eindruck, dass das ganze Land zum Verlierer wird, zumal es zum ohnmächtigen Zuschauer eines unglücklichen Spiels wird: Auf der Bühne werden die grossen sprachlichen und kulturellen Ressourcen auf dem Altar von partikulären Interessen, insbesondere jene des Kantons Zürich, geopfert. Zu beobachten ist aber auch die Hilflosigkeit des Bundes, der über keine Mittel verfügt, um die gemeinsamen Ansprüche eines mehrsprachigen und multikulturellen Landes zu verteidigen. Am Horizont taucht allerdings eine Möglichkeit auf, das Steuer noch herumzureissen und neue Regeln zu definieren. Wir sprechen das neue Sprachengesetz an. Der Bundesrat bereitet zur Zeit die Botschaft vor und das Parlament wird bald darüber debattieren. Babylonia und die Stiftung Sprachen und Kulturen werden sich dafür einsetzen, dass aus dieser Debatte ein würdiges Gesetz hervorgehen kann, das dem Land erlaubt, seine sprachliche und kulturelle Identität in Zukunft stärken zu können.

Die Redaktion