Die Zeitschrift für Sprachunterricht und Sprachenlernen

Editorial

Mala tempora sunt? Subjektiv gesehen, kann wohl jedermann gute Gründe finden, um allen Zeiten einen Negativstempel aufzudrücken. Das Umgekehrte dürfte aber auch zutreffen. Deshalb ist Vorsicht am Platz, wenn Klagen und Nörgelei durch das Land ziehen. Und dennoch, wenn man die Lage der Sprachen und der Kultur in der Schweiz zu Beginn des neuen Jahrtausends etwas näher betrachtet, so sieht es wahrlich nicht ermunternd aus. Unser Parlament hat uns kurz vor Weihnachten daran erinnert, wie man es in Sachen Kultur nicht machen sollte, nämlich ohne Stil, und Würde, ohne Weitsicht und Distanz. Es war eigentlich blamabel, wie sich viele Politiker – vorab der rechten Parlamentshemisphäre – im Rahmen der Budgetdebatte zu einer Politposse verleiten liessen und vermutlich aufs Niveau der stigmatisierten Kunstveranstaltung in Paris sanken. Allzu leicht wird Kultur, und damit ist nicht nur die Kunst, sondern sind auch die Sprachen gemeint, zum Spielball politischer Profilierungsversuche. Wenn es ums Sparen geht, scheint dies ohnehin besonders leicht zu fallen, dabei müsste sich der Staat eigentlich eine Pflicht daraus machen, seine Hofnarren mit zu finanzieren. Damit ist jedenfalls ein grundsätzliches Problem verbunden, nämlich das Risiko für die Kultur, jene Bedeutung zu verlieren, die sie zum grundlegenden, unantastbaren Bestandteil einer demokratischen Gemeinschaft macht. Wird diese Bedeutung erodiert, so wird sich eine stetige Verarmung unserer Gesellschaft in all ihren Bereichen einstellen. Das Problem lässt sich auch im Sprachbereich aufzeigen und zwar beispielhaft an der Situation des Italienischen in unserem mehrsprachigen Land. Die italienische Sprache ist zwar nicht in der italienischen Schweiz gefährdet, sie ist es ausserhalb ihres natürlichen Territoriums, und sie ist es als lebendige Komponente der Schweiz als Land der sprachlich-kulturellen Vielfalt. Wie sollten sonst folgende drei, sich in kurzer Abfolge ereignete Fakten, erklärbar sein: Der Kanton Uri verzichtet auf das Italienische als obligatorische Fremdsprache in der Volksschule, nachdem es anfangs der 90er Jahren eingeführt hatte. An der ETH in Zürich wird auf den Lehrstuhl für italienische Sprache und Kultur verzichtet und die gleiche Entscheidung hat zuletzt die Universität Neuchâtel verkündet. Was soll man aus diesen Fakten entnehmen, wenn nicht einfach ein zunehmender Mangel an Anerkennung und Respekt für eine Kultur, die bislang als unverzichtbares Erbe schweizerischer Identität galt? Darauf gilt es zu reagieren. Wer an die Vielfalt unserer Sprachen und unserer Kultur glaubt, darf nicht ins Nörgeln abgleiten, sondern sollte – ob Politiker, Intellektueller oder einfach Bürger- seine Stimme in allen möglichen Formen gegen diese Art der Kulturaushungerung erheben. Mala tempora? Vielleicht lässt sich was dagegen tun.

Die Redaktion