Die Zeitschrift für Sprachunterricht und Sprachenlernen

Editorial

Während eines Fortbildungskurses fragte mich neulich eine Teilnehmerin, wieso, trotz aller Forschung, Computer und Portfolio, sie selber und viele KollegInnen mit ihr, den Eindruck hätten, dass es immer schwieriger wird, eine Fremdsprache zu unterrichten, und die neueren Entwicklungen in der Fachdidaktik nicht dazu geführt hätten, dass die SchülerInnen ein höheres Niveau erreichen.
Wir lesen oft Artikel, in denen von Erfolgen mit Projekten gesprochen wird. Die Verlage betonen, dass die Motivation der Lernenden mit dem neuen Lehrwerk „erheblich gestiegen“ sei. Wenn man Zweifel an der Brauchbarkeit des Portfolios hegt, muss man wohl beim Lesen aller Erfolgsgeschichten in den Zeitschriften den Eindruck gewinnen, man sei die einzige, die sich diese Frage stellt. Im Rahmen einer Untersuchung, die neulich in einem EU-Land durchgeführt wurde, hat man SchülerInnen die Examenaufgaben im Bereich Lesefertigkeit aus den Jahren 1990, 1995 und 2000 machen lassen. Die Ergebnisse zeigten, dass das Niveau gleich geblieben war. Ist ja toll! Wir sind schon zufrieden, wenn die Ergebnisse nicht schlechter geworden sind.
Unterrichten ist ein unermüdlicher Kampf um die Aufmerksamkeit der SchülerInnen. Es ist nicht leicht, jeden Tag wieder die Energie zu finden einer Klasse entgegenzutreten, die am Montagmorgen mehr am Austausch von Erfahrungen vom Wochenende interessiert ist, als an einer Selbstevaluation mit dem Sprachenportfolio.Es gibt viele Faktoren, die das Lernen der SchülerInnen beeinflussen. Die Ergebnisse, die in Projekten erzielt werden, sind oft kaum übertragbar wegen der wenig günstigen Voraussetzungen in normalen Situationen.
Trotz dieser Enttäuschungen hat auch die in der ersten Zeile erwähnte Kollegin am Fortbildungskurs teilgenommen. Für sie war es wichtig, neue Impulse zu bekommen und ihre Erfahrungen mit KollegInnen auszutauschen. Um andere und sich selbst motivieren zu können, ist es in der Tat wichtig, sich weiterzubilden und neue Wege zu suchen. Aus diesem Grund möchte die Redaktion von Babylonia die Zeitschrift für Lehrpersonen in der Praxis noch attraktiver gestalten. Der Austausch mit KollegInnen bleibt wichtig, aber die Beiträge in Babylonia sind oft Erfolgsgeschichten (wer würde auch schon über sein eigenes Versagen schreiben?!).
Die LeserInnen Babylonias finden in dieser Nummer nicht den üblichen thematischen Teil. Die Redaktion hat viele interessante Beiträge erhalten und ergreift die Gelegenheit, sie in der letzten Nummer von 2005 zu veröffentlichen. Es handelt sich um Artikel von der IDT in Graz und von einer Konferenz über das Erlernen einer dritten Sprache. Wegen der, in einigen Kantonen bevorstehenden Abstimmung über den Fremdsprachenunterricht in der Primarschule, wird diese wichtige sprachenpolitische Frage in einigen Beiträgen erörtert.
Wir wünschen gute Lektüre und eine neue Motivation für den Alltag.

Gé Stoks